Die Rechte an den Inhalten klären
Rechtliche Grundlagen für eigene Apps (unter freier Lizenz) – Teil 1
Eine eigene App für Smartphone oder Tablet – das ist inzwischen für viele Bildungsanbieter ein interessante Option geworden. Auch in der Bildungsarbeit selbst können die Teilnehmenden inzwischen Apps selbst erstellen und veröffentlichen. Die Produktion von Apps ist technisch immer einfacher geworden – allerdings reicht die Technik alleine nicht aus. Es müssen auch einige rechtliche Grundlagen berücksichtigt werden. Das beginnt beim Urheberrecht der Inhalte, die ich über die App veröffentlichen möchte, geht über die Lizenzen für den Programmcode oder auch nur Bausteine davon und endet bei der Veröffentlichung in den Appstores, wo die Nutzungsbedingungen der Plattform und insbesondere Regelungen zum Datenschutz zu beachten sind.
Für pb21.de stellt John Weitzmann in einer dreiteiligen Artikelreihe die Grundlagen allgemeinverständlich dar. John Weitzmann ist Jurist und Journalist, schreibt auch für http://irights.info/ und engagiert sich seit 2006 als Legal Project Lead für Creative Commons Deutschland. Vor dem Hintergrund des #pb21Themenschwerpunktes zur OER-Konferenz #OERde13 fokussiert Weitzmann in seinen Überlegungen auf die Aspekte, die bei der quelloffenen Veröffentlichung unter einer freien Lizenz zu beachten sind.
- Teil II: Die Rechte an der Software klären
- Teil III: Die Rechte bezüglich Datenschutz und Plattform (App Store) klären
- Komplette Artikelreihe als Dokument (PDF / ODT)
Hinsichtlich der eigentlichen Bildungsinhalte, also der Texte und Multimedia-Inhalte, die den Nutzern das Wissen vermitteln sollen, sind zunächst einmal die durch den App-Anbieter eingebrachten, bei Auslieferung der App bereits bestehenden Inhalte zu betrachten (sie können entweder vom App-Anbieter selbst oder aus externen Quellen stammen und damit möglicherweise mit Rechten Dritter belegt sein). Darüber hinaus ist jedoch – zumindest bei interaktiven Formaten – auch an nutzergenerierte Inhalte zu denken, an denen ebenfalls Rechte entstehen können.
Bestehende Inhalte
Bezogen auf diejenigen Inhalte, die Nutzerinnen und Nutzer in der App vorfinden, lautet die wichtigste zu beantwortende Frage: Verfügt der App-Anbieter (siehe Infokasten) über ausreichende Rechte, um diese Inhalte nicht nur zu veröffentlichen, sondern auch zur weiteren Nutzung freizugeben? Eine Freigabe von Inhalten ist letztlich nichts weiter als eine an jedermann gerichtete Erlaubnis, die Inhalte in einer bestimmten Weise zu nutzen. Um diese Erlaubnis in einer großen Anzahl von Fällen und in einer auch für Laien einigermaßen verständlichen Weise zu erteilen, werden üblicherweise Standardlizenzen verwendet, auch genannt „Jedermannlizenzen“ oder auf Englisch „public licenses“. In der Praxis bedarf es dazu lediglich eines eindeutig formulierten Hinweises, welcher Inhalt nach den Regeln welcher Jedermannlizenz freigegeben wird – schon ist die Freigabe zumindest äußerlich erfolgt. Rechtlich wirksam ist sie allerdings nur dann und insoweit, wie die oder der Freigebende auch wirklich über die Rechte verfügt, die von der jeweils gewählten Jedermannlizenz geregelt werden. Die meisten Jedermannlizenzen beziehen pauschal alle nur erdenklichen Nutzungsrechte mit ein, also vom Recht der Vervielfältigung (Kopien) über das Verbreitungsrecht bis zum Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (Online-Stellen von Inhalten) und allen sonstigen Sende-, Vortrags- und Aufführungsrechten. Über sie alle muss der App-Anbieter also ohne zeitliche oder räumliche Einschränkungen verfügen können, um die Inhalte wirksam per Jedermannlizenz freigeben zu können. Erhalten kann der App-Anbieter die Rechte auf verschiedene Weise. Da Urheberrechte stets erst einmal bei Personen entstehen, ist die einfachste Konstellation die, bei der der App-Anbieter eine Person ist und die Inhalte selbst angefertigt hat. Sofern dann keine Verträge mit Dritten oder ähnliche Sonderbeziehungen vorliegen, verfügt der App-Anbieter dann über alle Rechte an den Inhalten und kann diese nach Belieben freigeben. Oft wird der App-Anbieter jedoch eine Institution, Organisation oder ein Unternehmen sein und damit selbst gar nicht „Schöpfer“, sprich Urheber der Inhalte, weil das eben nur Personen sein können. Dann kommt es auf die Beziehung zwischen dem dem App-Anbieter und dem Urheber an: Ist der Urheber beim App-Anbieter angestellt und die Erstellung der Inhalte gehört zu den Kernaufgaben des angestellten Urhebers, für deren umfassende wirtschaftliche Auswertung er bezahlt wird, erhält der App-Anbieter als Arbeitgeber im Zweifel (soweit im Arbeitsvertrag oder anderswo nichts abweichendes vereinbart wurde) alle Nutzungsrechte exklusiv. Er kann dann ähnlich verfahren als sei er der Urheber selbst. Dem angestellten Urheber verbleibt lediglich ein gewisser Rest an möglicher rechtlicher Einflussnahme, vor allem bezogen auf Persönlichkeitsrechte. Anders ist es, wenn die Inhalte außerhalb der Kernaufgaben des Arbeitnehmers liegen, nur für eine begrenzte wirtschaftliche Auswertung gedacht waren oder durch Freiberufler bzw. sonstige Dritte erstellt wurden. Dann muss der App-Anbieter, um die Bildungsinhalte freigeben zu können, die exklusiven Nutzungsrechte daran separat erwerben (auch als „ausschließliche Nutzungsrechte“ bezeichnet). Sofern hierzu keine Einigung zustande kommt, weil beispielsweise ein zu hoher Preis verlangt wird, müssen die betreffenden Inhalte von der Freigabe der Bildungs-App ausgenommen und können nur insoweit genutzt werden, wie die Urheber bzw. gesetzliche Regeln wie etwa das Zitatrecht es erlauben.
Umso bedeutsamer ist für den Bildungsbereich, dass es einen wachsenden Bestand an Inhalten gibt, die durch ihre Urheber bereits umfassend freigegeben wurden und damit auch in Bildungs-Apps wiederverwendet werden dürfen. Hierzu zählen auch die speziell für den Einsatz in Bildung ausgelegten „Open Educational Resources“, kurz „OER“. Der App-Anbieter ist in diesem Falle selbst Nutzer der freigegebenen Inhalte und reicht die Freigabe gewissermaßen durch an die Nutzer seiner Bildungs-App. Nimmt er Einfluss auf die Inhalte, etwa durch eine Bearbeitung, können Sonderregeln zu beachten sein, wie mit dem Ergebnis zu verfahren ist. Sie richten sich nach der Jedermannlizenz, nach der die ursprünglichen Inhalte freigegeben wurden. Bestimmte Klauseln darin etwa können vorschreiben, dass nach dem sogenannten „Copyleft-Prinzip“ auch die bearbeiteten Inhalte nur bei gleichzeitiger Freigabe veröffentlicht werden dürfen.
Durch die Nutzer erzeugte Inhalte
Sofern die Funktionsweise der Bildungs-App vorsieht, dass die Nutzer auch eigene Inhalte erstellen können, ist zu klären: Berühren diese neu geschaffenen Inhalte irgendwelche Rechte Dritter? Nutzergenerierte Inhalte sind rechtlich gesehen zwar solange weitestgehend irrelevant, wie sie das jeweils genutzte private Endgerät nicht verlassen. Sobald die Inhalte jedoch über die Bildungs-App zwischen den Nutzern ausgetauscht oder in irgendeiner Weise im Zusammenhang mit der Bildungs-App (beispielsweise über die zugehörige Website) veröffentlicht und nachgenutzt werden können, ist Vorsicht geboten: Soweit die Nutzer im Rahmen der Bildungs-App einzig solche Inhalte veröffentlichen und verbreiten können, die sie vollständig selbst erstellt haben, geht es lediglich darum, ihnen die Tragweite dieses Handelns und die Grundregeln einer eventuellen Freigabe ihrer selbstgeschaffenen Inhalte ausreichend verständlich zu erläutern.
- Teil II: Die Rechte an der Software klären
- Teil III: Die Rechte bezüglich Datenschutz und Plattform (App Store) klären
- Komplette Artikelreihe als Dokument (PDF / ODT)
Soweit die Nutzer auch vorbestehende Inhalte verarbeiten können, ist zu klären, ob an diesen zur Verfügung gestellten Inhalten Rechte Dritter bestehen und inwieweit sich dies auf die daraus entstehenden, nutzergenerierten Inhalte auswirkt. Es gelten dann im Grunde dieselben Regeln, die im vorigen Abschnitt zu Inhalten Dritter erklärt wurden. Die Dritten müssen dann also entweder individuell oder pauschal per Jedermannlizenz die Nutzung erlaubt haben. Der App-Anbieter kann sich im Zweifel nicht darauf zurückziehen, dass hier ja nicht er selbst handele sondern die Nutzer seiner Bildungs-App, denn durch den Rahmen der App ist er rechtlich gesehen an den Handlungen der Nutzer beteiligt.
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