Infografiken selbst machen und machen lassen – Teil 1: Einsatz in Workshops und Unterricht

Grafiken Fleischatlas 2014: Fleischkonsum in den USA
Grafik „Fleischkonsum in den USA“ von der Heinrich-Böll-Stiftung unter CC BY SA 2.0 Lizenz.

Ansprechende Grafiken gehören heute in jeden Bildungskontext. Aus didaktischer Sicht wichtiger sind Bilder, die „sprechen“, die Zusammenhänge darstellen oder große Datenmengen begreifbar machen. Benutzt werden sie in vielen Seminaren und Unterrichtseinheiten zum Veranschaulichen und als visuelle Unterstützung eines Lehrgesprächs. Doch der Einsatz ist nicht auf das Anschauen beschränkt: Wir wollen zeigen, wie die Erstellung von Infografiken durch Lernende als Seminarmethode genutzt werden kann.

In Teil II dieser Artikelreihe werden konkrete Tools zur Erstellung von Infografiken vorgestellt. Zum Thema „Visualisierung“ werden auf pb21.de auch Grundlagen und Werkzeuge für Sketchnotes vorgestellt.

Kein visuelles Medium kommt mehr ohne Infografiken zurecht und auch in jeder Bildschirmpräsentation sichern ein paar Balken oder das Tortendiagramm die Aufmerksamkeit.

Infografiken versprechen, dass man sie schnell erfassen kann: Worum geht’s? Wer hat mehr oder weniger? Und dann die eigene Wertung: „Hätte ich nicht gedacht!“ oder „Habe ich es nicht immer gewusst?“. Infografiken regen zur Auseinandersetzung mit den Inhalten an, weil es etwas zu entdecken gibt, und man verschiedene Aspekte in den Fokus stellen kann. Im Bildungskontext lassen sich diese beiden Einsatzbereiche unterscheiden: Erläuterung mithilfe von Infografiken und Erstellen von eigenen Infografiken.

Infografiken: Zahlen oder Zusammenhänge

Auch die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) bietet auf bpb.de zahlreiche Infografiken zu politischen und gesellschaftlichen Themen an.

Wer bei Infografiken nur an Weizenexporte im weltweiten Vergleich oder an die Entwicklung der Abgeordnetendiäten in den letzten 30 Jahren denkt, hat nur die Hälfte der Einsatzmöglichkeiten im Blick. Viele verbinden mit Infografiken die grafische Darstellung von Zahlenwerten, der andere Bereich betrifft Zusammenhänge und Abläufe. Das können Kausalzusammenhänge sein wie bei der Erklärung von Produktivität am Arbeitsplatz und ihrer Einflussfaktoren oder dem Entstehen von Preisen im Konsumgüterbereich. Ebenfalls zu dieser Gruppe gehört die Darstellung von Abläufen und Prozessen: Prozesse wie die einzelnen Schritte bei der Wahl des Bundeskanzlers oder zeitliche Abläufe wie die Ereignisse in der Französische Revolution.

Klassischer Einsatz: „Und Sie sehen hier …?“

Der übliche Einsatz von Infografiken ist die Einbindung ins Plenumsgespräch. Der Lehrende hat eine gute Grafik gefunden und lässt die Lernenden die einzelnen Aspekte und Interpretationsmöglichkeiten herausarbeiten. Das bietet sich insbesondere bei aktuellen oder (für die Zielgruppe) überraschenden Informationen an. Da profitiert der Lehrende von dem Effekt, dass die Lernenden die einzelnen Aussagen selber entdecken wollen.

Mit Online-Programmen kann man sehr schnell selbst Infografiken herstellen. Screenshot (fällt nicht unter eine freie Lizenz).
Mit Online-Programmen kann man sehr schnell selbst Infografiken herstellen. Screenshot (fällt nicht unter eine freie Lizenz).

Eine Variante dieses Vorgehens ist „Fragen an die Daten“. Dafür muss der Lehrende die Infografik und den Hintergrund der dazugehörenden Datenerhebung sehr gut kennen. Hier erklären die Lernenden nicht die Grafik, sondern dürfen nur Fragen stellen: „Wenn Sie diese Grafik so sehen, was für Fragen haben Sie? Was möchten Sie von den Daten wissen?“ Es bietet sich an, der Gruppe dafür etwas Zeit zu lassen und eine Murmelrunde anzuschließen, um mit dem Sitznachbarn passende Fragen zu entwickeln. In vielen Fällen werden hier Warum-Fragen, also Fragen nach der Ursache, gestellt, die dann auch zu einer Diskussion der Lernenden untereinander führen können, indem diese Fragen an die Gruppe zurückgegeben werden. Der Lehrende kann dabei durch Hintergrundinformationen das, was die Grafik zeigt, ergänzen.

„… und visualisieren Sie Ihre Ergebnisse!“

Die Erstellung einer Infografik in die Hände der Lernenden zu geben ist eine Möglichkeit der völlig anderen Auseinandersetzung mit dem Thema. Anders als bei einem Kurzvortrag oder Stichpunkten, die auf Karten oder Flipcharts geschrieben werden sollen, müssen die aufgenommenen Informationen in die Bildsprache übersetzt werden.

Sehr einfache Infografik zum Ausfüllen durch Lehrende. Screenshot (fällt nicht unter eine freie Lizenz).
Sehr einfache Infografik zum Ausfüllen durch Lehrende. Screenshot (fällt nicht unter eine freie Lizenz).

Die einfachste Variante ist die Vorlage einer vorbereiteten Infografik, die Lücken hat, z.B. ein Diagramm mit Einflussfaktoren auf einen Prozess, wo einige Felder und Pfeile frei sind. Diese Aufgabe kann man beliebig komplex gestalten, indem sehr viele oder eben gerade nur wenige Felder frei sind. Bei der Erstellung muss sich der Dozent entscheiden, ob er nur bestimmte Antworten akzeptiert, weil es sich um eine Art Wissensabfrage oder Transferleistung des Gelernten handelt, oder ob es sich um eine ergebnisoffene Form handelt, bei der die Präferenzen und Vorstellungen der Lernenden im Mittelpunkt stehen. So kann man nach den Auswirkungen von Stress fragen und die Kategorien physiologische Auswirkungen etc. erwarten, aber man könnte auch nach den wichtigsten Auswirkungen von Stress fragen und damit als Ergebnis die Ansichten der Lernenden bekommen.

Infografiken mit dem Fokus auf Zahlenmaterial können natürlich auch mit Lücken versehen werden. Hier kann man die Lernenden beispielsweise schätzen lassen, welcher Datensatz zu welchem Faktor gehört. Die Schwierigkeit der Aufgabe kann der Lerngruppe angepasst werden. Die Lösung der Aufgabe kann auch durch eine Abstimmung erfolgen, so dass das eine Möglichkeit ist, jede einzelne Person zu beteiligen.

Bei der Erstellung von kompletten Infografiken durch Lernende kann man auch wieder Aufgabenstellungen für beide Varianten – Zahlen und Daten oder Abläufe und Zusammenhänge – entwickeln.

Bei Zahlen und Daten müssen die entsprechenden Informationen durch den Lehrenden zur Verfügung gestellt werden und er muss sicher sein, dass sie von den Lernenden verstanden werden. Gerade bei Daten in tabellarischer Form, die aus unterschiedlichen Quellen kommen, können unterschiedliche Abkürzungen oder den Lernenden nicht geläufige Einheiten schnell zur Verwirrung führen. Die Aufgabe ist nun, aus dem Zahlenmaterial eine aussagekräftige Grafik zu entwickeln. Dafür müssen die Lernenden verschiedene Entscheidungen treffen:

  • Welche Kernaussage soll die Grafik haben? Jede Grafik beinhaltet auch eine Deutung, weil in der Regel viele Rohdaten auf einzelne Informationen verengt werden.
  • Welche Daten werden genau dargestellt? Welche nicht? Warum? Ist das vertretbar?
  • In welcher numerischen Form werden die Daten dargestellt? Prozentzahlen, absolute Zahlen, Veränderungswerte …? Hier kann der Lehrende durch geeignete Auswahl der Daten schon Hilfestellung leisten – oder diese Frage gerade den Lernenden überlassen.
  • Welche Darstellungsform ist passend? Welche Art von Diagramm? Was ist machbar und sinnvoll?
  • Wie würde die Grafik der Betrachter sehen? Ergibt die Grafik einen Sinn? Welche Fragen bleiben unbeantwortet?
Grafik zum Entdecken: Ein Texte wird durch de Darstellung von Worthäufigkeiten visualisiert. Screenshot (fällt nicht unter eine freie Lizenz).
Grafik zum Entdecken: Ein Texte wird durch de Darstellung von Worthäufigkeiten visualisiert. Screenshot (fällt nicht unter eine freie Lizenz).

Bei der Darstellung von Zusammenhängen und Abläufen sollen die Lernenden häufig ihre eigenen Kenntnisse und Erfahrungen mit einbringen, so dass hier oft weniger Material bereitgestellt wird. Die Fragen nach Ursachen, Zusammenhängen und Einflussfaktoren eignen sich sehr gut. So könnte eine Aufgabe an eine Gruppe lauten: „Treffen Sie Annahmen über die Zusammenhänge und erklären Sie mit Hilfe einer Grafik: Arbeitszufriedenheit.“ In diesem Fall sind den Lehrenden ähnliche Grafiken bereits bekannt, so dass sie eine grafische Vorstellung davon haben, was erwartet wird. Sie müssen nun in der Gruppe überlegen, welche Einflussfaktoren auf Arbeitszufriedenheit sie aufnehmen wollen und in welcher Verbindung die Aspekte untereinander stehen. Hier steht in der Regel eher die Auseinandersetzung mit dem Thema unter dem Blickwinkel eigener Ansichten und Erfahrungen im Mittelpunkt. Natürlich ist es auch möglich, Materialien vorzugeben und in einer Form der inhaltlichen Vertiefung eine bestimmte Lösung zu erwarten.

Beide Formen der eigenen Erstellung von Infografiken durch Lernende sind eher für Gruppenarbeiten geeignet. Die Anregungen anderer können hier die Produktivität und das Erfolgserlebnis stark steigern und die üblichen Vorbehalte, sich mit einem eigenen zeichnerischen und handschriftlichen Können präsentieren zu müssen, werden durch das Gruppenergebnis minimiert.

Fazit

Infografiken sind – sparsam eingesetzt – eine anregende Form der Auseinandersetzung und sie können in praktisch allen Themenbereichen eingesetzt werden. Wer den Charme der Flipchart-Balken und Rechtecke ein bisschen über hat, dem legen wir den zweiten Teil dieses Artikels ans Herz. Dort geht es nämlich um digitale Helferlein bei der eigenen Infografik-Gestaltung. So viel sei schon verraten: Es kommen mit wenig Aufwand schicke Grafiken dabei heraus – allerdings müssen die Idee und das Konzept vorher da sein.


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Der Artikel (Text) auf dieser Seite steht unter der CC BY 3.0 DE Lizenz. Der Name des Autors soll wie folgt genannt werden: Maria-Christina Nimmerfroh für pb21.de.
Urheberrechtliche Angaben zu Bildern / Grafiken finden sich direkt bei den Abbildungen.

Dipl.-Psychologin Maria-Christina Nimmerfroh ist tätig als Fachjournalistin für IT und Medien, als Dozentin in der politischen Erwachsenenbildung und als Lehrbeauftragte an Hochschulen. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich Marketing/Öffentlichkeitsarbeit für Non-Profit-Organisationen, Organisationsentwicklung, Hochschuldidaktik und Wirtschaftspsychologie, insbesondere Markt- und Konsumpsychologie. Im Bereich Online-Lernen ist sie seit 1998 unterwegs und bildet auch selbst Online-Seminarleiter aus. Aktuell hat Maria-Christina Nimmerfroh Lehraufträge an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg am Fachbereich Wirtschaft und an der Bonner Akademie inne und führt für politische Stiftungen Online- und Präsenzseminare durch.