„Lehrkräfte suchen Dienstleistung, weniger Austausch“ – Drei Jahre Erfahrung mit dem Zeitgeschichte-Projekt DeineGeschichte.de

Logo, nicht unter freier Lizenz.
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Das Zeitgeschichte-Projekt DeineGeschichte.de will „die deutsch-deutsche Teilungsgeschichte spannend für Jugendliche aufbereiten“, sie zu „Geschichtsreportern“ werden lassen und auch die Lehrende zum Dialog anregen. Drei Jahre nach dem Start von DeineGeschichte.de befragte pb21 den Projektleiter Oliver Baumann über seine Erfahrungen mit dem „Gewohnheitstier“ Lehrkraft und der Erkenntnis, dass man ohne die reale Welt in der Virtualität auch ziemlich alleine dastehen kann.

„Das Desinteresse der Schüler an historischen und zeitgeschichtlichen Themen ist ein scheinbares. Es ist eine Frage der eingesetzten Mittel, Medien und Vermittlungsformen“, heißt es auf der Website von DeineGeschichte.de. Es gibt sie also, die Möglichkeiten mit Multimedia, selbstgedrehten Videos, aktuellen Meldungen Zeitgeschichte interessant zu vermitteln – mit diesem Anspruch sind die Macher von DeineGeschichte.de vor rund drei Jahren gestartet und „wir haben in dieser Zeit eine Menge gelernt“, sagt Projektleiter Oliver Baumann. Das Projekt läuft gut und alle wollen weitermachen, gerade jetzt, wo man die Zielgruppen wirklich gut kennen gelernt hat und weiß, was ankommt und was nicht. Es wird viel angeboten auf

Screenshot (fällt nicht unter eine freie Lizenz).
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DeineGeschichte.de: Für den klassischen Schulunterricht gibt es umfangreiches Material bis hin zu schön gestalteten Arbeitsblättern, in der Mediathek gibt es Video-Beiträge der Redaktion und aus den Schulen, im Werkstatt-Bereich wird angeleitet für die eigenen Beiträge, und zwar wirklich von der Ideenfindung bis hin zur Postproduktion und zum Upload der Videos und es gibt einen großen aktuellen Bereich mit Newsletter und multimedial aufbereiteten Beiträgen. Im Podcast-Format werden Gespräche mit Personen rund um das Thema veröffentlicht und im Sommer hat es unter dem Titel „Du schreibst Geschichte“ einen Schüler-Wettbewerb zum 17. Juni 1953 gegeben. Und das alles sind nur die Online-Aktivitäten.
DeineGeschichte.de macht klar: Hier gibt es eine Redaktion, die Themen setzt, die die Seite strukturiert und sehr viel Input reingibt. Die Pfade der Beteiligung sind vorgegeben. In der Mediathek gibt es „unsere Beiträge“, also die der Redaktion, und „Eure Beiträge“, das sind die der Projekte aus den Schulen. Dort finden sich selbstgedrehte Dokumentarfilme zum Mauerfall, über die Stasi, über den Jahrestag der DDR-Gründung und viele weitere. Einigen Videos merkt man an, dass da sehr viel Projektarbeit in den Schulen geleistet worden ist.

Eine sehr umfangreiche Website mit vielen Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten – wie kommt das an bei den Zielgruppen? „Wir wollen uns an Jugendliche wenden und an die Bildungsakteure, die in diesen Themen unterwegs sind, also die Lehrkräfte“, erklärt Projektleiter Oliver Baumann. „Und die erreichen wir auch.“ Allerdings fand der Lernprozess nicht nur auf der Seite der Schüler statt. „Wir haben relativ schnell erkannt, dass irgendwas, das den Stallgeruch Schule hat, von Jugendlichen nicht so ohne weiteres genutzt wird“, so Baumann weiter. Das führt dazu, dass die Einbettung der Website und ihrer Möglichkeiten in Unterrichtseinheiten gut gelingt und angenommen wird, aber das alles „ist für die Schüler eben nur im Kontext Schule interessant und sie machen so etwas nur, wenn sie darauf gestoßen werden.“ Nachmittags kommt also kein Jugendlicher mal einfach so bei DeineGeschichte.de vorbei, um sich ohne den verbindlichen Rahmen Schule über Zeitgseschichte zu informieren oder um vielleicht sogar nach Lektüre im „Werkstatt“-Bereich ein Video zu den Themen hochzuladen. DeineGeschichte.de ist in erster Linie eine Schulgeschichte.

Die Beteiligung der Nutzer findet über Projekte statt, die Lehrenden mit ihren Schülern im Unterricht durchführen und diese Ergebnisse dann als Video- oder Audiobeiträge auf der Seite veröffentlichen. 2009 und 2010 kamen sehr viele neue Projekte dazu, die Jahrestage von Mauerfall und Wiedervereinigung beförderten offenbar die Auseinandersetzung mit zeitgeschichtlichen Themen.

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Die Lehrenden sind in der Regel sehr dankbar und offen für neue Anregungen in diesem Bereich. „Allerdings sind Lehrkräfte auch Gewohnheitstiere, die haben ihre 10 bis 15 Standardlinks für die Unterrichtsvorbereitung, feste Rechercheorte, feste Vorbereitungsszenarien“, erklärt Baumann. „Da mussten wir auch erst mal reinkommen.“ Mit einem reinen Online-Angebot war das im Endeffekt nicht zu machen. Schon sehr früh wurden Workshops durchgeführt, unter anderem mit der Bundeszentrale für politische Bildung und den Schulministerien. Es gab und gibt auch weiterhin eine Reihe von Offline-Workshops für Jugendliche, aber auch Fortbildungen für Lehrkräfte. „Die Lehrenden sind für uns wichtige Multiplikatoren, auch um noch weitere Lehrende zu erreichen“, so Baumann. In den Fortbildungen geht es dann auch nicht nur um die Inhalte der Unterrichtseinheiten, sondern auch darum „die Furcht zu nehmen vor dem Umgang mit der Kamera, mit dem Netz, mit dieser Form der Veröffentlichung.“ Denn das Ziel der Seite ist klar: aktive Auseinandersetzung mit den Themen und auch selbst aktiv werden. „Werdet Geschichtsreporter“ ist an mehreren Stellen zu lesen. Und dieser Schritt von der interessanten Informationsseite hin zur interaktiven Plattform, vielleicht sogar mit Community-Charakter, ist der nicht ganz einfache Schritt für die Macher.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Projektes ist es, den Austausch der Lehrkräfte untereinander zu fördern. Am Anfang wurde dafür direkt ein Forum installiert. „Das hat gar nicht funktioniert“, gibt Oliver Baumann zu. Deswegen ist das Forum auch nicht mehr auf der Seite. „Die Lehrkräfte sehen unsere Plattform in erster Linie als Ort, wo sie Dienstleistung bekommen, als Dialogmedium werden wir im Rahmen von DeineGeschichte einfach nicht so richtig wahrgenommen.“ Man merkt hier, dass Oliver Baumann darüber nicht glücklich ist. „Die Lehrkräfte denken: Ich bekomme, was ich brauche, aber ich beteilige mich nicht.“ Daran wollen die Macher von DeineGeschichte.de weiter arbeiten. Sie haben aber auch in Fortbildungen die Erfahrung gemacht, dass der Austausch in der Offline-Welt bei Lehrenden oft auch nicht so ausgeprägt ist. „Da haben sich Lehrkräfte der gleichen Schule bei uns im Workshop getroffen und wussten voneinander gar nicht, dass sie schon ähnliche Dinge im Unterricht mit Multimedia ausprobiert hatten“, erinnert sich Baumann.

Im aktuellen Bereich der Seite gibt es regelmäßig zwei bis drei neue Beiträge pro Woche. Die Redaktion „Aktuelles“ ist sehr rege. „Das ist auch unser Anspruch, wir wollen auch immer neue Themen setzen“, so Baumann. Als nächstes stehen Kooperationen mit Gedenkstätten an, beispielsweise soll zusammen mit der Gedenkstätte Topographie des Terrors eine komplette Unterrichtseinheit gestaltet werden. Die Redaktion von DeineGeschichte.de will auch unbedingt weiter machen, allen voran Oliver Baumann, der es weiter als erklärtes Ziel hat, die Beteiligung der Nutzer zu steigern: „Es muss weiter gehen, wir haben noch viele Ideen “


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Der Artikel (Text) auf dieser Seite steht unter der CC BY 3.0 DE Lizenz. Der Name des Autors soll wie folgt genannt werden: Maria-Christina Nimmerfroh für pb21.de.
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Dipl.-Psychologin Maria-Christina Nimmerfroh ist tätig als Fachjournalistin für IT und Medien, als Dozentin in der politischen Erwachsenenbildung und als Lehrbeauftragte an Hochschulen. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich Marketing/Öffentlichkeitsarbeit für Non-Profit-Organisationen, Organisationsentwicklung, Hochschuldidaktik und Wirtschaftspsychologie, insbesondere Markt- und Konsumpsychologie. Im Bereich Online-Lernen ist sie seit 1998 unterwegs und bildet auch selbst Online-Seminarleiter aus. Aktuell hat Maria-Christina Nimmerfroh Lehraufträge an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg am Fachbereich Wirtschaft und an der Bonner Akademie inne und führt für politische Stiftungen Online- und Präsenzseminare durch.