Im Praxis-Test: Mumble als freie Alternative zu Skype?

Screenshot von mumble (fällt nicht unter eine freie Lizenz).
Screenshot von mumble (fällt nicht unter eine freie Lizenz).

Eine Bildungsagentur steigt aus, Teil I: Audio- und Videokonferenzen

„Lass uns skypen“ ist ein geflügelter Begriff. Ohne viel zu erklären weiß jeder im Team: Wir treffen uns gleich online, um per Audio miteinander zu kommunizieren. So findet das jeden Tag vielfach statt. Das Beispiel skype zeigt gut , wie private Errungenschaften der Online-Welt zu „Business-Lösungen“ werden.

Das kleine Unternehmen aus Estland wurde schnell zum global player und ist inzwischen eng mit Microsoft (aufgekauft) und Facebook (integriert) verzahnt. Der Dienst ist alleine durch seine schiere Größe attraktives Ziel für Überwachung. Das Geheimdienste wirklich mithören, wissen wir spätestens seit den Enthüllungen Edward Snowdens. Das gilt dann für alle (Team-)Gespräche, die wir dort führen, alle Projekte, die wir dort planen und alle Personalentscheidungen, die wir dort fällen. Vermutlich schneiden die NSA und andere Geheimdienste alles mit, werten es automatisch aus, wandeln es in Text um und machen damit die Gespräche durchsuchbar. Verdachtsunabhängig. Bei jedem Gespräch.

Das bedeutet: Verschlüsselung, weg von zentralen Diensten und weg von US-Diensten. Geht das?

Die Anforderungen

„Eine Bildungsagentur steigt aus“
eine Artikelreihe zu freien Alternativen zu gängigen Internetdiensten

Video „Interview mit Daniel Seitz zur Post-Prism-Artikelreihe“ von Blanche Fabri, Tessa Moje und Jöran Muuß-Merholz unter CC BY 3.0.

weitere Artikel aus dieser Reihe

Auf der Suche nach einer passenden Audio-Konferenz-Lösung als Alternative zu Skype haben wir uns lange umgeschaut: Telefonkonferenzen, Telefonkonferenz-Systeme, SIP(gate), Webdienste u.v.m.
Unsere Kriterien dabei:

  • Freie Software
  • eine aktive Entwickler-Community
  • hohe Verschlüsselungsstandards
  • Betrieb auf dem eigenen Server
  • mobile Erreichbarkeit

Die Lösung (?)

Letztlich gelandet sind wir bei mumble – einem open source Audio-konferenz-System für den eigenen Server. Der Quellcode ist also offen, eine riesige Community entwickelt die Software ständig weiter. Die Installation liegt auf dem unserem deutschen Server, d.h. deutscher Datenschutz und auch die Wege der Datenpakete müssen nicht zwangsläufig über transatlantische Knoten (die besonders abgehört werden, ) laufen. Die Software verschlüsselt automatisch in AES256 – ein hoher kryptologischer Standard, einer der wenigen, die Edward Snowden empfiehlt.

Alle Rahmenbedingungen stimmen also, um zumindest unseren Anspruch an Sicherheit zu gewährleisten.

Praxiserfahrungen

mumble …
… lässt sich leicht auf vielen Systemen installieren – von Mac über Windows, von Android bis iOS gibt es Programme und Apps. Eine sehr gute Anleitung macht den Einstieg in die ersten Bedienschritte leicht. Mumble-Server gibt es kostenlos, zur Miete oder zum selbst installieren.

Sobald der Server läuft, können sich die Teilnehmer verbinden. Auf PC, Mac und Linux lässt sich dafür eine Software installieren, für iOS und Android (u.v.m.) gibt es Apps. Daten eintragen, mit dem Server verbinden, Benutzernamen selbst wählen, fertig. Mumble heißt einen dann in der sogenannten Eingangshalle willkommen. Hier ist es recht ruhig, wenn nicht schon weitere Gäste dort sind. Sobald weitere Gäste anwesend sind, wird von allen der Mikrofonton übertragen. Über einen Assistenten kann der Ton perfekt ausgesteuert werden. Einmalig ein bisschen aufwändig, aber der Lohn ist brillanter Ton. Die drei Arten, Ton zu übertragen, machen auch das Arbeiten in größeren Gruppen angenehm. Auszuwählen sind: dauerhafte Übertragung (meist nicht zu empfehlen), erst beim Sprechen übertragen (hier wird mit Schwellenwerten gearbeitet, Tastaturgeklapper und Atem-Geräusche sollten so nicht stören) oder Push-to-talk, wo erst nach dem Drücken einer Taste die Sprache übertragen wird (wie beim Funkgerät). Letzteres ist vor allem bei vielen, lauten Hintergrund-Geräuschen zu empfehlen.

Ist erstmal alles konfiguriert, kann es losgehen. Für kleinere Teams kann es reichen, stets in der Eingangshalle zu bleiben. Wenn man mit mehr Menschen in unterschiedlichen Konstellationen arbeitet, kann man aber auch Räume einrichten. Wir haben dies anhand unserer Organisationsformen und unserer Projekte getan. Dazu gibt es einen freien Raum, in dem wir zukünftig auch Kundengespräche führen möchten. Für jeden Raum können Zugangsberechtigungen vergeben werden. So weiß ich, dass ich vertrauliche Gespräche mit meinen Mit-Gesellschaftern führen kann, während in einem anderen Raum unsere Teamer ein neues Projekt planen. Andere Teilnehmer müssen sich allerdings vorab auf dem Server registrieren, im Anschluss kann man sich dann herkömmlich per Passwort einloggen. Der sogenannte „superuser“, ein fester Account, der bei der Installation mit einem Passwort versehen wird, kann die einzelnen Räume nun einschränken. Über Gruppen oder Einzeluser (die registrierten Personen) können für jeden Raum Rechte zugeordnet werden können. Ob sie überhaupt betreten werden dürfen – bis hin zu rein moderierten Gruppen, wo nur die ModeratorInnen sprechen dürfen, alle anderen können nur zuhören.

Unser Zwischenfazit

In der Praxis hat sich dieses System für uns bewährt. Jede/r unserer TeamerInnen, die Gesprächsbedarf hat oder solchen signalisieren möchte, wählt sich am Server ein. Im Raum „smalltalk“ kann man sich auch mal informell treffen, wenn einem die gemeinsame Küche fehlt, weil man über Deutschland verteilt arbeitet. In unseren Projekträumen werden Team-Besprechungen einberufen, im Agentur-Raum treffen sich die Gesellschafter, um auch mal stundenlang an eigenen Projekten zu arbeiten und nur zwischendurch eine Frage in den Raum zu werfen oder um Dinge unmittelbar zu klären. Wie man das im Büro auch so tut, wenn man nebeneinander sitzt. Zur Nutzung gibt es keinen Zwang. Die tägliche Praxis zeigt aber, wie gut jede/r von uns in der Agentur mumble annimmt. Insofern können wir jetzt schon positive Bilanz ziehen – einen gemeinsamen Ort zu haben UND dort überwachungsfrei arbeiten zu können fühlt sich schlicht gut an.

Dazu kommt, das auch viele unserer Partner und Kunden wechselwillig sind. Sie installieren sich mumble, kommunizieren dort mit uns und freuen sich über die (Sprach-)Qualität des Dienstes.

Und Sie?

Wie sind Ihre Erfahrungen mit Alternativen zu Skype? Welche Dienste setzen Sie ein, welche alternativen Nutzungsszenarien fallen Ihnen ein? Wir freuen uns über Kommentare!


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Daniel Seitz lebt in Berlin, hat Mediale Pfade gegründet und brennt für eine freie, politisierte Gesellschaft, die ihre Verantwortung wahrnimmt. Als Medienpädagoge ist er überzeugt, dass Medienbildung einen wichtigen gesellschaftlichen Anteil zu politischer Teilhabe, Selbstentfaltung und Kreativität leisten kann.