Blick in den Maschinenraum einer live bloggenden Redaktion

Screenshot (fällt nicht unter eine freie Lizenz).
Screenshot (fällt nicht unter eine freie Lizenz).

Wie kann man Bildungsveranstaltung „live“ online begleiten? Nach der Vorstellung von netzdebatten.bpb.de und dem pb21-Interview zur Frage „Warum die bpb Veranstaltungen live dokumentiert“ folgt hier die Fortsetzung zum Thema.

Ende Oktober 2010 hat Margarita Tsomou mit ihrem Redaktionsteam den Kongress „Das flexible Geschlecht. Gender, Glück und Krisenzeiten in der globalen Ökonomie“ nahezu in Echtzeit dokumentiert. Nur 14 Tage vor Beginn des Kongresses wurde das Projekt gestartet: Es musste kurzfristig ein Blog installiert und gestaltet, ein Facebook- und Twitterprofil aufgebaut und alles miteinander verbunden werden. Im Gespräch berichtet Tsomou, wie die Zusammenarbeit funktionierte, welche Schwierigkeiten aufgetaucht sind und was sie beim nächsten Mal anders machen wird.

Wie kam die Entscheidung für den Bloganbieter zu stande?

Die Entscheidung für Blogspot ist vor dem Hintergrund eines schmalen Budgets gefallen. Die erste Wahl wäre eine eigene Webseite auf WordPress-Basis gewesen, es gab jedoch einen enormen Zeitdruck. Die Wahl war deshalb auch von den bisherigen Erfahrungen mit Bloganbietern bestimmt. Durch Blogspot war das geplante Blog schnell eingerichtet. Innerhalb von 3 Tagen wurde ein Design fertiggestellt. Anschließend konnte das Kongressblog von der bpb „abgenommen“ werden.

Wie waren die Aufgaben in der Redaktion verteilt?

Mit der redaktionellen Arbeit waren insgesamt 11 Frauen betraut: 7 Autorinnen, eine Videojournalistin, eine Kamerafrau, eine Fotografin und eine Vertreterin der Bundeszentrale aus dem Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Neben dem Blog wurde kurz vor dem Kongress noch eine Facebookseite erstellt und ein Twitteraccount eingerichtet. So sollte jedes Blogposting durch die beiden social media Dienste verstärkt werden. Im Nachhinein hätte sich aber eine Kollegin des Redaktionsteams ausschließlich um die Arbeit jenseits des Blogs kümmern müssen, um die kommunikativen Potentiale von Twitter und Facebook auszuschöpfen. Neben den Kongressaccounts nutzte die Bloggerin Svenja Schröder ihren eigenen Twitter- und Facebookaccount um auf die Aktivitäten rund um den Kongress hinzuweisen.

Welche Arbeiten mußten/konnten vor Beginn des Kongresses geleistet werden?

Die innere Struktur des Blogs ist im Vorhinein entstanden, ebenso alle vorzufindenden Formatkategorie wie Artikel, Fotospuren, Interviews mit Referentinnen, subjektive Kommentare im Blogstil, News und Videos. Alle Artikel und Aufgaben wurden vorher vergeben, dabei wurden die inhaltlichen Schwerpunkte der Autorinnen berücksichtigt. Margarita Tsomou hatte festgelegt, dass jede Autorin pro Tag einen Ariktel und ein Interview schreiben sollte. In einem komplexen Zeitplan wurde die Arbeit koordiniert. Autorinnen, die vormittags Vorträge besuchten und Interviews führten konnten in diesem Zeitraum nicht schreiben und dennoch mußte gewährleistet werden, dass stetig neue Beiträge veröffentlicht wurden. Redaktionelles Ziel war, 2 Stunden nach dem Vortrag den dazu passenden Beitrag veröffentlicht zu haben.

Was war der Anspruch/Ziel bei der Livedokumentation?

Es ging weniger um eine streng rezensierende Form und auch nicht um einen Bericht von innen heraus im Sinne eines Protokolls, sondern um eine, die Atmosphäre vermittelnde Zusammenfassung. Die Blogdokumentation sollte auch der Nachlese der Vorträge dienen und den Teilnehmerinnen und nicht teilnehmenden Interessierten zur Recherche nach dem Kongress dienen.

Statt eines Videostreams wurde jeden Tag aus vielen einzelnen Bewegtbildeindrücken Videos geschnitten. Das war sehr aufwändig. Dadurch flossen eher atmosphärische als inhaltliche Beiträge der Veranstaltung in die Videodokumentation ein.

Das Blog war nie als Kommunikationsplattform gedacht, sondern sollte eine Dokumentation aus Sicht der Veranstalter bzw. eine durch sie beauftragte externe Instanz abbilden. Reaktionen auf das Blog sind nur schwer nachzuvollziehen, da die Kommentarfunktion abgeschaltet war. Der Grund für diese Entscheidung war das auf viele provozierend wirkende Themenfeld Feminismus. Die Redaktion wollte die Grenze zu beleidigenden Kommentaren nicht ziehen müssen. Im Gespräch mit den Teilnehmerinnen vor Ort wurde das Blog aber sehr positiv aufgenommen und kommentiert.

Gab es eine Einbettung des Blogs in den Kongress? Wie?

Auf der Tagung selbst wurde in den großen Veranstaltungen wiederholt auf das Blog hingewiesen. Dennoch war es der Kürze der Vorbereitungszeit geschuldet, dass auf Plakaten und Flyern zur Veranstaltung die URL des Blogs nicht zu finden war. Darüber hinaus war den Teilnehmerinnen durch die Präsenz der Videojournalistin und der Fotografin die Livedokumentation des Kongresses gegenwärtig. Außerdem wurde im Rahmen einer schriftlichen Bekanntmachung, die dem Kongressprogramm beilag, auf die öffentliche Dokumentation der Veranstaltung hingewiesen.

Was sollte beim nächsten mal anders gemacht werden?

Blogspot war zu einschränkend, eine andere Blogsoftware hätte sicherlich mehr Funktionalitäten für die Dokumentation ermöglicht, wie z.B. ein Downloadbereich für herunterladbare Dokumente, oder eine interaktivere Fotogalerie. Wenn das Projekt früher in den Kongressplanungsprozess integriert wird, ist es möglich die Teilnehmerinnen dort auch schon frühzeitig mit Informationen vor dem Kongress zu versorgen. Bei einer nächsten Livedokumentation sollte auch ein Videostream die nicht anwesende Öffentlichkeit mit Tagungsinhalten versorgen. Auch die Kommentarfunktion sollte bei einem Folgeprojekt integriert werden, und es müssen Wege des Umgangs mit Beleidigungen gefunden werden. Margarita Tsomou hätte sich eine Lektorin gewünscht, die jeden Blogpost auf Rechtschreibfehler überprüfen kann, so mußte diese Aufgabe die Redakteurin zusätzlich übernehmen. In einem Setting, in dem alles sehr schnell gehen muss, braucht man eine Mitleserin, die nur auf Rechtschreibung achtet, sonst wird der Reviewprozess durch zu viele Aufgaben überlastet.


Ausgehend von diesem Praxisbeispiel soll noch einmal auf einen bestehenden Beitrag auf pb21.de verwiesen werden, der eine Anleitung zur Dokumentation mittels Blogs bietet.


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Der Artikel (Text) auf dieser Seite steht unter der CC BY 3.0 DE Lizenz. Der Name des Autors soll wie folgt genannt werden: Guido Brombach für pb21.de.
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Guido Brombach arbeitet als Bildungsreferent für das DGB Bildungswerk. Dort ist er verantwortlich für den Bereich Digitale Kommunikation, Lernen und Medien. Er bemüht sich um die Harmonisierung zwischen der analogen und der digitalen Welt.